Interdisziplinäre Zusammenarbeit

„Es wird in Zukunft mehr denn je notwendig sein, über den Tellerrand zu blicken und vernetzt zu denken – nicht nur in Schubladen. Dafür müssen einerseits die handelnden Akteur_innen mutig und offen sein sowie zuversichtlich auf Neues zugehen. Aber auch in Teams wird noch transdisziplinärer gedacht werden müssen: guter Austausch, regelmäßige Kommunikation und gegenseitige Unterstützung."

Gudrun Steinmann
FSW - Leitung Strategie Themenübergreifende Agenden

Einleitung

Eine gut funktionierende, interdisziplinäre Zusammenarbeit beruht auf Vernetzung, Kooperationen und einer vertrauensvollen Haltung zwischen Fördergeber_innen, den Organisationen und den agierenden Menschen. Aktuell stehen häufig versäulte Finanzierungsstrukturen und bürokratische Abläufe im Vordergrund, die nicht die diversen Bedarfe von Menschen im Blick haben und das Schaffen von (formalen) Kooperationen erschweren. Für eine zukunftsorientierte, interdisziplinäre Zusammenarbeit müssen Schnittstellen zu Nahtstellen umgewandelt werden und Strukturen für Zusammenarbeit neu gedacht werden.

Herausforderungen

Struktur in der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit

Die Daseinsvorsorge in Wien ist auf vielfältige Professionen und Institutionen angewiesen. Doch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen ist oft unzureichend strukturiert. Es fehlt an den Schnittstellen an übergreifenden Standards und ausreichend abgestimmten Prozessen. Eine bessere Abstimmung würde die Effizienz steigern und die Qualität für Nutzer_innen verbessern.

Hierarchien verhindern Kooperation auf Augenhöhe

In vielen Bereichen existieren Hierarchien zwischen Professionen, die Kooperation auf Augenhöhe erschweren. Alle Professionen, von der Verwaltung bis zur Pflege müssen ohne Vorbehalte zusammenarbeiten, um komplexe Lebenslagen adäquat zu begleiten. Die Expertise aller Berufsgruppen sollte anerkannt und systematisch in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Hoher Ressourcenverbrauch durch fehlende Systemintegration

Viel Energie geht derzeit in Recherchen, Fehlerkorrekturen, das Überbrücken von Schnittstellen und die Schaffung von Einzelfalllösungen verloren – auf Seiten der Organisationen, der Mitarbeiter_innen und auch der Klient_innen. Diese Systemlücken kosten Zeit und Geld und führen zu Verzögerungen in der Versorgung. Es braucht Strukturen, die Doppelgleisigkeiten vermeiden und Orientierung bieten.

Förderlogiken erschweren Zusammenarbeit

Förderstrukturen sind häufig nicht darauf ausgelegt, komplexe, lebensweltorientierte Unterstützungsformen zu ermöglichen. Sie zwingen Organisationen, sich innerhalb enger fachlicher Grenzen zu bewegen, statt bereichsübergreifend zu agieren. Für eine zeitgemäße, wirksame Daseinsvorsorge braucht es Förderlogiken, die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern, nicht behindern.

Unzureichende und nicht-nachhaltige Vernetzungsstrukturen

Auch zwischen Organisationen mit ähnlichen Zielgruppen und Aufgaben gibt es Potenzial zur Verbesserung. Bestehende Vernetzungsformen sind oft informell oder projektbezogen. Um Wissenstransfer und Synergien systematisch zu nutzen, braucht es verlässliche, ressourcengestützte Plattformen für Austausch und Kooperation – jenseits kurzfristiger Projektlogiken.

Wichtigste Hebel

Vertrauensbasierte Zusammenarbeit als Fundament

Eine gelingende interdisziplinäre Zusammenarbeit braucht Vertrauen zwischen den Professionist_innen. Dafür müssen stabile Kooperationsstrukturen geschaffen und gepflegt werden. Gleichzeitig ist die kontinuierliche Professionalisierung im Sozialbereich zentral, um auf Augenhöhe und mit klarer Rollenverteilung agieren zu können. Gemeinsame Standards und eine respektvolle Haltung gegenüber unterschiedlichen fachlichen Perspektiven stärken die Handlungsfähigkeit im komplexen Arbeitsalltag.

Finanzierungsstrukturen flexibilisieren

Versäulte Finanzierungslogiken behindern bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Um wirksame Unterstützungsangebote zu ermöglichen, braucht es Fördermodelle, die sektorübergreifendes Handeln – etwa zwischen Sozialbereich, Gesundheit, Bildung und Wohnen – zulassen und fördern. Organisationen sollten als Expert_innen vor Ort in definierten Bereichen mehr Entscheidungsspielräume und finanzielle Autonomie erhalten.

An den Bedarfen der Menschen orientieren

Im Zentrum aller Maßnahmen sollte die Frage stehen, was Menschen in ihrer konkreten Lebenslage benötigen – nicht, was das System aktuell leistet. Dafür braucht es flexible Strukturen, die auf veränderte Bedarfe schnell reagieren können. Starre Vorgaben und bürokratische Hürden verhindern bedarfsgerechte Lösungen – Agilität und Handlungsspielräume hingegen ermöglichen sie.

Kooperationen als lernfähige Systeme gestalten

Bestehende Kooperationen, Netzwerke und Querverbindungen sollten nicht nur erhalten, sondern als lernfähige Systeme weiterentwickelt werden. Indem sie neue Lösungsansätze zulassen, erproben, evaluieren und bei Bedarf adaptieren, entsteht ein agiler Umgang mit Herausforderungen.  Eine solche evidence-based-practice stärkt die Innovationskraft und erhöht die Wirkung sozialer Arbeit nachhaltig.

Im Kontext größerer Strukturen agieren

Wien agiert nicht im luftleeren Raum. Die Einbettung in nationale und europäische Zusammenhänge eröffnet die Möglichkeit, von Good-Practice-Beispielen anderer Regionen zu lernen. Austausch, Kooperation und Orientierung an internationalen Standards stärken die Innovationsfähigkeit und helfen, Lösungen für lokale Herausforderungen im globalen Kontext weiterzuentwickeln. Learning Journeys und internationale Partner_innenschaften fördern dies.

Aktuelle DWS-Projekte

Gezeigt wird ein Screenshot der Videokonferenz

Wohnungslosenhilfe und Pflege

Wohnungs- und obdachlose Menschen haben auf Grund ihrer gesundheitsbelastenden Lebensbedingungen einen hohen Bedarf an pflegerischer Versorgung. Dies belegt bereits die 2021 veröffentlichte Wirkungsanalyse der Wiener Wohnungslosenhilfe. Der Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen hat daher die Gesundheit Österreich …