Orientierung & Perspektive

„Damit Menschen in herausfordernden Lebenssituationen ihren Platz in Wien und der Welt finden und einen Beitrag für ein gelingendes Zusammenleben leisten wollen und können, brauchen wir schnelle, leicht zugängliche, ganzheitliche Unterstützungsleistungen und langfristige Bindungen – weg von der jetzt oft üblichen „Termin-zu-Termin“-Praxis.“

Tom Adrian
Verein [um]bruch:stelle

Herausforderungen

Übergänge als vulnerable Lebensphasen

Nicht nur globale Krisen fordern Orientierung, auch biografische Übergänge stellen Menschen vor erhebliche Herausforderungen. Der Schritt ins Erwachsenenleben, Trennungen, der Verlust von Arbeit oder nahestehenden Menschen sowie Behinderungen und/oder chronische Erkrankungen können existentielle Krisen auslösen. Ob solche Umbrüche zur Gefahr oder zur Chance werden, hängt wesentlich von verfügbaren Ressourcen, stabilen sozialen Beziehungen und dem Zugang zu Unterstützungssystemen ab.

Isolation und fehlende Grundsicherung als Risikofaktoren

Besonders verletzlich sind Menschen, die isoliert leben oder über kein verlässliches soziales Netz verfügen. Wenn zusätzlich die materielle Grundsicherung fehlt, wird es noch schwieriger, Übergangsphasen zu bewältigen. Armut und prekäre Lebensverhältnisse erzeugen anhaltenden Stress, der die individuelle Resilienz schwächt und den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung oder beruflicher Perspektive massiv einschränkt.

Geringe Ressourcen schränken Wahlmöglichkeiten ein

Der Zugang zu Information, Bildung und unterstützenden Strukturen ist entscheidend für selbstbestimmte Lebensgestaltung. Wer in seiner Biografie wenig Unterstützung oder positive Vorbilder erfahren hat, verfügt oft nicht über die nötigen Strategien, um Krisen aktiv zu bewältigen. Psychische Erkrankungen, Ängste, Depressionen oder geringes Selbstwertgefühl können zusätzlich hemmend wirken – insbesondere, wenn Scham oder gesellschaftliche Stigmatisierung davon abhalten, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Lebenslagen und Übergänge verschränken sich

Viele Menschen stehen vor der Herausforderung, mehrere belastende Faktoren gleichzeitig zu bewältigen. Armut, Wohnungslosigkeit, Fluchterfahrung, chronische Erkrankung und/oder Behinderung sind keine isolierten Problemlagen – sie verstärken sich gegenseitig, besonders in Zeiten des Umbruchs. Wer über keine stabilen persönlichen, sozialen und materiellen Ressourcen verfügt, erlebt Übergänge nicht als Entwicklungschance, sondern als existenzielle Bedrohung.

Wichtigste Hebel

Übergänge als gesellschaftliche Aufgabe

Biografische Übergänge und Brüche sind keine individuellen Ausnahmen, sondern gehören zum normalen Lebensverlauf. Sie bergen jedoch Risiken, die gesellschaftlich abgefedert werden müssen. Notwendig ist ein integrativer Ansatz, der materielle, soziale und emotionale Bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigt. Nur wenn Übergänge als kollektive Herausforderung verstanden werden, kann eine solidarische Gesellschaft wirksam handeln und Menschen in belastenden Lebensphasen Orientierung und Stabilität bieten.

Ganzheitliche, bedürfnisorientierte Hilfe

Hilfsangebote sollten sich nicht ausschließlich an Zielgruppen orientieren, sondern individuell auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt werden. Menschen in Übergangsphasen sind Expert_innen ihrer eigenen Situation – ihre Perspektiven und Erfahrungen müssen im Zentrum stehen. Das erfordert ein abgestimmtes Zusammenspiel zwischen sozialen Diensten, Bildungsinstitutionen, psychologischer Beratung und Gesundheitsversorgung, um umfassende und wirksame Unterstützung zu ermöglichen.

Zugang zu Bildung und Informationen stärken

Bildung, Information und Orientierung sind zentrale Ressourcen, um Lebensübergänge zu gestalten. Menschen brauchen Zugang zu verständlich aufbereiteten Informationen, um ihre Optionen einschätzen und gute Entscheidungen treffen zu können. Niederschwellige, unbürokratische und barrierearme Angebote und Plattformen sind entscheidend, um gerade in Krisenzeiten Zugang zu Beratung, Wissen und Unterstützung zu gewährleisten

Sicherung materieller Grundbedürfnisse

Materielle Stabilität ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen Übergänge im Leben bewältigen können. Finanzielle Absicherung, leistbarer Wohnraum und ein gesicherter Zugang zu Unterstützungs- und Gesundheitsleistungen müssen verlässlich verfügbar sein. Gerade in Übergangsphasen führt fehlende materielle Sicherheit häufig zu multiplen Belastungen, die selbstbestimmte Entscheidungen und Teilhabe erschweren oder verhindern.

Soziale Netzwerke und Begegnungsräume fördern

Isolation verschärft Krisen. Deshalb sind soziale Anlaufstellen wie Nachbarschaftszentren, Selbsthilfegruppen und generationenübergreifende Treffpunkte unverzichtbar. Sie ermöglichen zwischenmenschlichen Austausch, fördern Zugehörigkeit und Bindung und stärken das Gefühl sozialer Anerkennung. Der gezielte Ausbau solcher Orte ist ein wichtiger Beitrag zur Prävention von Einsamkeit und zur Förderung sozialer Resilienz – besonders in Übergangsphasen. Idealerweise werden diese Orte auf diverse Zielgruppen ausgerichtet (barrierefrei, intergenerational und interkulturell).

Psychische Gesundheit fördern

Resilienz, Selbstwert und psychische Stabilität sind zentrale Ressourcen für den Umgang mit Veränderungen. Angebote zur Stärkung psychischer Gesundheit sollten niedrigschwellig und für alle zugänglich sein. Es braucht eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, dass psychologische Unterstützung keine Schwäche, sondern eine notwendige Ressource ist. Psychische Gesundheit muss als fester Bestandteil von Bildungs- und Gesundheitsstrategien gedacht werden.

Solidarität und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Ein starkes „Wir-Gefühl“ bildet die Grundlage für eine solidarische Gesellschaft. Es braucht überparteiliche Kampagnen und positive mediale Repräsentationen, die Verständnis, Empathie und Wertschätzung für Menschen in Übergangsphasen fördern. Der gesellschaftliche Zusammenhalt wächst dort, wo Vielfalt sichtbar wird, Vorurteile abgebaut werden und der soziale Dialog gestärkt wird – über Generationen, Kulturen und soziale Milieus hinweg.

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