Selbstbestimmung

„Für Selbstbestimmung in einer sozialen Stadt braucht es selbstbewusste Individuen, die ganz selbstverständlich mit all ihren Stärken und Schwächen selbstbestimmt am sozialen Leben teilhaben und ihren Beitrag leisten können.“

Petra Plicka
Expertin für barrierearme Facilitation

Einleitung

Selbstbestimmung ist gemeinsam zu denken mit Solidarität und Mitbestimmung (als Gegenpole zu Selbstbestimmung als Egoismus). Sie bedeutet mehr als individuelle Freiheit – nämlich die echte Möglichkeit, im Kontext der Gesellschaft über das eigene Leben zu entscheiden. Dafür braucht es gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die Teilhabe ermöglichen. Doch genau diese fehlen oft. In den zentralen Lebensbereichen Wohnen, Arbeit und Gesundheit müssen passende Angebote, Zugänge und niederschwellige Informationen bereitgestellt werden – nicht als Luxus, sondern als Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit und demokratische Teilhabe.

Herausforderungen

Selbstbestimmung braucht unterstützende Strukturen

Ein selbstbestimmtes Leben zu führen, hängt maßgeblich von vorhandenen Informationen, Möglichkeiten und Unterstützungsstrukturen ab. In der Praxis erleben wir immer wieder, wie herausfordernd es ist, Klient_innen, Nutzer_innen, Patient_innen oder Bewohner_innen diese Strukturen tatsächlich zugänglich zu machen – oder überhaupt zuzulassen, dass sie selbst entscheiden. So zeigt sich in einigen unserer Pflege- oder Unterstützungsangebote, dass Menschen dort nicht freiwillig und selbstbestimmt einziehen. Oftmals liegt ein Pflege- und Unterstützungsbedarf vor, der in der Einrichtung abgedeckt werden muss. Andere mobile/ambulante Angebote sind zu dem Zeitpunkt schon ausgereizt und können mit ihren Ressourcen das selbstbestimmte Leben in der eigenen Wohnung nicht mehr entsprechend begleiten.

Entscheidungsmacht – zwischen Fürsorge und Fremdbestimmung

Häufig fehlt insbesondere älteren Menschen die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Frage, wie sie zukünftig leben, unterstützt oder gepflegt werden möchten. In akuten Situationen übernehmen dann oft An- und Zugehörige die Entscheidung – manchmal gegen den erklärten Willen der betroffenen Person. Auch wenn dies gut gemeint ist, bedeutet es einen Balanceakt zwischen Fürsorge und Fremdbestimmung. Dabei ist es jedoch immer wichtig, klar und transparent mit der betroffenen Person in Austausch zu treten und Entscheidungen zu erklären.

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Selbstbestimmung

Unsere zunehmend komplexe und beschleunigte Gesellschaft stellt neue Anforderungen an selbstbestimmte Lebensführung. Es braucht Räume, in denen über Rollen, Verantwortung und Entscheidungsfreiheit offen gesprochen werden kann. Fehler sollen erlaubt sein und als Lernchancen verstanden werden. Nur wenn ausreichend Zeit und Transparenz über Handlungsspielräume vorhanden sind, kann echte Selbstbestimmung für alle Menschen – auch in herausfordernden Lebenslagen – möglich werden.

Wichtigste Hebel

Gesellschaftliche Sensibilisierung als Grundlage

Ein selbstbestimmtes Leben braucht gesellschaftliche Akzeptanz für Vielfalt. Menschen leben, handeln und entscheiden unterschiedlich: Sei es, weil jemand Dinge anders macht als es üblich ist, mehr Zeit braucht, um etwas durchzuführen oder auch Unterstützung benötigt, um selbstbestimmt teilhaben zu können. Um echte Teilhabe zu ermöglichen, muss unsere Gesellschaft lernen, diese Unterschiede nicht nur zu tolerieren, sondern aktiv wertzuschätzen. Sensibilisierungskampagnen und öffentlichkeitswirksame Bildungsangebote können dazu beitragen, Haltungen zu verändern und Diskriminierung entgegenzuwirken.

Informationen zugänglich und verständlich machen

Selbstbestimmung setzt voraus, dass Menschen wissen, worüber sie entscheiden können – und wie. Es braucht gut aufbereitete, verständliche und niedrigschwellige Informationen. Diese müssen in unterschiedlichen Formaten und Sprachen bereitgestellt werden, um allen Menschen – unabhängig von Bildung, Herkunft oder Lebenslage – eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Fachkräfte sind dabei zentrale Multiplikator_innen.

Entscheidungen frühzeitig ermöglichen

Viele Entscheidungen über Pflege, Betreuung oder medizinische Maßnahmen lassen sich nur selbstbestimmt treffen, wenn sie rechtzeitig getroffen werden. Patient_innenverfügungen, Vorsorgevollmachten oder die Entscheidung für ein Pflegeheim sollten dann thematisiert werden, wenn noch Zeit und Entscheidungsfähigkeit vorhanden sind. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, Menschen dazu zu ermutigen – nicht erst, wenn der Druck groß ist.

Räume für Selbstbestimmung schaffen und sichern

Selbstbestimmung braucht konkrete Orte und Gelegenheiten. Ob Beratungsgespräch, Familienkonferenz oder Pflegeplanung – es braucht strukturell verankerte Räume, in denen Menschen sicher, respektvoll und unterstützt über ihr Leben entscheiden können. Diese Räume müssen gezielt geschaffen und gegen Zeitdruck, Überforderung und institutionelle Routinen geschützt werden.

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