Freiraum & Diskursraum

"Dass alle Menschen sich im öffentlichen Raum einer Stadt willkommen fühlen und einander dort begegnen können, ist keine Selbstverständlichkeit. Darum müssen wir uns alle gemeinsam und vor allem kontinuierlich bemühen!"

Saya Ahmad
Bezirksvorsteherin Alsergrund

Einleitung

Freiraum und Diskursräume sind entscheidend für die Zukunft einer sozialen Stadt. Menschen mit geringem Kapital - im bourdieuschen Sinne - haben oft nur begrenzte Möglichkeiten, ihren Lebensraum selbstbestimmt zu gestalten. Die Gesellschaft gewährt ihnen wenig Platz im öffentlichen Raum und drängt sie direkt und subtil an den Rand, was ihre Teilhabe und Sichtbarkeit einschränkt. Ähnliche Erfahrungen machen auch andere marginalisierte Gruppen, wie Menschen mit Behinderung oder sichtbarem Suchtproblemen. Zudem wird in gesellschaftlichen Diskussionen häufig über diese Menschen gesprochen, statt mit ihnen. Um eine gerechte und inklusive Stadt zu schaffen, ist es wichtig, diesen Menschen Zugang zu unseren gemeinsamen Räume ermöglichen, in denen sie teilhaben und ihre Perspektiven einbringen können. Nur so kann ein echter Dialog entstehen, der die Vielfalt und Bedürfnisse aller Stadtbewohner_innen berücksichtigt und fördert.

 

Herausforderungen

Ungleiche Freiräume im realen und digitalen Raum

Der physische und digitale Freiraum von Menschen spiegelt oft ihre sozialen Freiräume wieder. Menschen mit wenig Einkommen, Bildung oder Wohnraum haben eingeschränkte Möglichkeiten, sich nach ihren eigenen Vorstellungen zu entfalten. Ein besonders deutliches Beispiel war die Situation von Schüler_innen während der COVID-19-Pandemie. Schüler_innen ohne Zugang zu Laptops, Breitbandinternet oder einem geeigneten Lernraum waren vom Bildungssystem ausgeschlossen, was langfristige negative Folgen für ihre Entwicklung hat. Diese Diskrepanz zeigt, wie tiefgreifend soziale Ungleichheiten die individuelle Entfaltung beeinträchtigen können.

Eingeschränkter Zugang zum öffentlichen Raum

Zudem sind marginalisierte Personen auch im öffentlichen Raum wenig willkommen, ihr Radius ist schon allein durch ihr Einkommen begrenzt. Vermögensschwache Menschen haben weniger Chancen auf eine selbstbestimmte Wohnsituation und brauchen daher umso dringender die Chance auf Platz im Freien; gerade sie aber gehören zugleich oft zu jenen Gruppen, die im öffentlichen Raum als Störfaktor stigmatisiert werden: Familien mit vielen Kindern, Menschen mit Suchterkrankungen, Personen mit auffälligen Behinderungen, Gruppen von Männern oder Jugendlichen, als “arm” gelesene Menschen. Tauscht man gedanklich die gleiche Personenzahl durch weiße, wohlhabende Menschen aus, gehen wir wohl ehrlicherweise von einer anderen Reaktion der Beobachter_innen aus. Die Möglichkeiten, die ihnen bleiben, und die Kulturen, die sich daraus entwickelt haben, werden wiederum als störend und unangebracht geframt.

Diskriminierung im öffentlichen Diskurs

Der öffentliche Diskurs spiegelt oft die Marginalisierung von bestimmten Gruppen wider. Anliegen von Randgruppen werden selten gesehen oder als relevant akzeptiert. Auch die wohlmeinende, aufgeklärte Seite der Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, für vulnerable Gruppen zu sprechen anstatt ihrer Stimme Raum zu verschaffen. Dies führt dazu, dass diese Gruppen weiterhin an den Rand gedrängt werden, sowohl in der Gesellschaft als auch in politischen Diskussionen. Der Ausschluss von wichtigen Stimmen schwächt die demokratische Teilhabe und verfestigt bestehende Ungleichheiten. Ein inklusiver Diskurs, der die Perspektiven aller einbezieht, ist entscheidend, um die gesellschaftliche Gleichstellung voranzutreiben.

Wichtigste Hebel

Konsumfreie und inklusive Begegnungsräume schaffen

Eine soziale Stadt braucht Begegnungsräume, die allen offenstehen – unabhängig von Einkommen oder sozialem Status. Konsumfreie Orte ermöglichen Teilhabe ohne finanzielle Hürde. Doch Raum ist nicht gleich Raum: Gestaltung und Atmosphäre entscheiden darüber, welche Gruppen sich willkommen fühlen; logischerweise müssen daher in die Gestaltung von Anfang an Vertreter_innen all jener Gruppen einbezogen werden, die sich letztlich mit den Räumen identifizieren und sie nutzen sollen Ziel muss es sein, Barrieren gezielt abzubauen und divergierende Bedürfnisse auszugleichen, um so vielfältige Teilhabe zu ermöglichen.

Vielfältige Raumplanung auf lokaler und städtischer Ebene

Ein einzelner Ort kann nie alle gleichermaßen ansprechen. Es braucht deswegen eine Planung auf zwei Ebenen: Lokal, mit einem Nutzungsmix, der so vielfältig wie möglich und so fokussiert wie nötig ist, um ein qualitatives Angebot zu schaffen. Und eine überregionale Planung, die ein Auge darauf hat, dass sich für alle Bedürfnisse gleichwertige Angebot finden. Eine kluge Einbindung zukünftiger Nutzer_innen kann in beiden Fällen wertvolle Impulse liefern.

Soziale Begleitung als integraler Bestandteil öffentlicher Räume

Neben baulicher Offenheit braucht es soziale Interventionen. Qualifizierte Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen können helfen, erste Berührungsängste zwischen Nutzer_innen zu überwinden, die Selbstorganisationsfähigkeit der Community anzustoßen und bei Konflikten unterstützen. So entstehen nicht nur physische, sondern auch soziale Räume, in denen Vielfalt gelebt werden kann und gegenseitiger Respekt wachsen kann.

Überblick und Zugang durch digitale Angebotslandkarten

Wien bietet bereits eine breite Palette an offenen Begegnungsorten, doch das Angebot ist dynamisch und häufig unübersichtlich. Im praktischen Beratungs- und Betreuungsalltag fällt es zunehmend schwer, den Überblick zu behalten. Eine digitale, KI-gestützte Landkarte könnte hier Abhilfe schaffen, indem sie laufend aktuelle Informationen bereitstellt und die Vernetzung zwischen Angeboten erleichtert.

Digitale Sozialräume aktiv mitgestalten

Mit der zunehmenden Verlagerung sozialer Interaktionen in digitale Räume wächst der Bedarf, auch diese bewusst zu gestalten. Virtuelle Orte bergen neue Potenziale, aber auch Risiken. Um digitale Teilhabe zu ermöglichen und soziale Isolation zu vermeiden, braucht es innovative Fördermodelle und digitale Kompetenzen im Sozialbereich. Nur so können auch diese Räume inklusiv erschlossen werden.

Aktuelle DWS-Projekte

GeKo Pass und Mappe

Die Abkürzung „GeKo“ steht für Gesundheit und Kommunikation. Der GeKo-Wien Pass und die GeKo-Wien Mappe sind Hilfsmittel, in denen strukturiert und prägnant Informationen zur Person, zu ihren Kompetenzen, Bedürfnissen, Verhaltensweisen und zu ihrer Kommunikation sowie wichtige …

Unser Arbeitsprogramm 2025

Vorstellung durch unser Team: Herzlich willkommen zu unserem aktuellen Arbeitsprogramm. Öffnen Sie die folgende Grafik und erhalten Sie zu jedem Thema einen kurzen Einblick von unseren Expert_innen im Dachverband. Einfach auf den jeweiligen Arbeitsbereich klicken, …

Unser Arbeitsprogramm 2024

Vorstellung durch unser Team: Herzlich willkommen zu unserem aktuellen Arbeitsprogramm. Öffnen Sie die folgende Grafik und erhalten Sie zu jedem Thema einen kurzen Einblick von unseren Expert_innen im Dachverband. Einfach auf den jeweiligen Arbeitsbereich klicken, …